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Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Samstag 24. August 2019, 21:52
von Die Sirenenwerkstatt
HINWEIS: Das arbeiten mit Säuren ist Gefährlich! Auf Sicherheit und Schutzmaßnahmen muss geachtet werden! Alle Angaben in diesem Thema sind ohne Gewähr, jeder ist für sein Handeln selbst verantwortlich!
Mahlzeit!
Jeder der schonmal eine E57 restauriert hat kennt das Problem mit dieser dummen sch**ß drecks Polyamid Beschichtung. Ich bin ja seit diesem Jahr 10 Jahre dabei E57 zu restaurieren und ich hab so dermaßen die Schnauze voll davon, mich immer mit einem Stechbeitel und Co an ein Laufrad zu geben, dass ich nun andere Wege erforschen möchte.
Als Ziel habe ich, eine Art Tauchbad zu nutzen, wo ich die Laufräder einfach rein tue, für ein paar Stunden oder Tage drin belasse und sich das Polyamid löst. Je nachdem kann auch der Schlüssel dazu sein, den Haftgrund zu lösen, der unter dem Polyamid ist und selbiges eben zu unterwandern und gleichzeitig abzulösen.
Dazu habe ich aktuell einen Test am laufen.
Dazu habe ich ein Laufrad einer zerbrochenen 65er Elektror E57, welches ich über hatte, zum Testobjekt gemacht. Im Laufrad sind Stücke raus gebrochen und es ist verzogen also für eine andere E57 unbrauchbar, den hätte ich nie mehr eingebaut. Hab heut die ganzen äußeren Schaufeln abgeflext und daraus mehrere Stücke raus gesägt. An jedem dieser Stücke haftet noch weißes Polyamid mit voller Stärke an. Diese Stücke habe ich nun jeweils in Verdünnung, Spiritus, Pinselreiniger UND 60% Essigsäure eingelegt.
Die Essigsäure scheint bisher mein größter Kanidat zu sein. Ich hatte gestern bereits einen Test gestartet: ein Stück vom Laufrad mit einer Feinwaage vorher gewogen, knapp 24 Std in die Essigsäure eingelegt und nochmals gewogen. Ergebnis: Keine Gewichtsabnahme und das Teststück wurde nicht angegriffen. Dann einen Test mit weißem und schwarzem Polyamid. Hier war interessant, dass nach ca 2std Einwirkzeit das weiße Polyamid relativ weich wurde. Es verlor seine Sprödigkeit, so nenn ich es mal, komplett. Das schwarze hingegen veränderte seine Eigenschaften nicht.
Weiteres wird dazu folgen.
Was meint ihr dazu?
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Sonntag 25. August 2019, 12:37
von HP.D
Wenn es PA ist, liegst du mit Säure wohl richtig.
Ich zitiere aus dem Internet:
Sie sind unbeständig gegenüber starken Säuren – sie werden bereits von konzentrierter Ameisensäure bei Raumtemperatur angegriffen – und Basen sowie gegenüber chlorierten Kohlenwasserstoffen.
Ameisensäure bekommt man z.B. im Imkereibedarf. Salzsäure wäre auch einen Versuch wert. Gibt auch fiese Sachen im Sanitärbereich.
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Sonntag 25. August 2019, 15:33
von Die Sirenenwerkstatt
Hallo HP!
Danke für deine Infos. Salzsäure kann man nicht verwenden. Wenn man die benutzt ist eher das Alu weg statt das Polyamid ;-) die einschlägigen Videos mit Salzsäure und Alufolie sind ja zahlreich auf Youtube vorhanden...
Der Rotor selbst ist ja eine Aluminium Guss Legierung.
Ich zitiere aus der Norm DIN 41096 Teil 2 Unterpunkt 4.3.1:
Das Laufrad muß aus Aluminium-Gußlegierung DIN 1725 -- G-AlMg 5 hergestellt werden.
Nach bearbeitung und eine Haftgrundanstrich ist es mit Polyamid DIN 16773 -- PA11, Farbe schwarz oder grau zu beschichten. Die Schicht muss mindestens 0,3mm dick sein. Die Nabenbohrung darf nicht beschichtet werden.
EDIT: Ich habe soeben den Test beendet. Die Stücke lagen nun ca. 20Std im Tauchbad.
Das Resultat ist leider ernüchternd. :-( Bei allen getesteten Chemikalien konnte ich nicht feststellen, dass sich das Polyamid leichter lösen lies, weder mit dem Finger, noch mit einem Stechbeitel. Daraufhin habe ich einen neuen Test mit 85% Ameisensäure gestartet die ich noch da hatte. Ich bin mal gespannt!
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Montag 26. August 2019, 09:51
von HP.D
Salzsäure kann man nicht verwenden. Wenn man die benutzt ist eher das Alu weg statt das Polyamid
Dat stimmt wohl. Hab ich "übersehen" und nur ans PA gedacht.
Hab noch das gefunden:
PA 6 gegen PA 6 kann mittels Lösemittelklebstoff Methansäure (allgemein als Ameisensäure bezeichnet) angelöst und damit auch geklebt werden. Vor der Anwendung: Klebeflächen reinigen, trocknen und ablüften lassen. Anschließend beide Flächen mit konzentrierter Ameisensäure einstreichen.
Dürfte also eine sehr klebrige Angelegenheit werden.
Ich würde eher die losen PA-Teile vom Rotor entfernen und bei Bedarf Spachteln und schleifen. Dann neu lackieren, fertig.
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Donnerstag 29. August 2019, 22:48
von Die Sirenenwerkstatt
Hey Leute.
@HP: Ich habe herausgefunden, dass Ameisensäure leider nicht das Polyamid des Rotors löst, da es aus PA 11 besteht was fast die gleichen Eigenschaften hat wie PA 12. Damit ist es so gut wie gegen jegliche Säure resistent.
Falls hier jemand nicht mitkommt, PA 6, 11 oder 12 sind verschiedene Arten von Polyamid die sich im Aufbau des Moleküls unterscheiden und somit verschiedene Eigenschaften besitzen. Damit sich keiner nachher noch fragt... ;-)
Ich habe allerdings trotzdem eine erfreuliche Nachricht. Ich habe einfach aus Jux ein Teststück für drei Tage in 85% Ameisensäure liegen gelassen. Auch wenn es das Polyamid nicht angreift, so scheint es zumindest weicher zu werden UND es wurde unterwandert und der Haftgrund aufgeweicht. Das Ergebnis war dann, dass ich das Polyamid wie Klebeband abziehen konnte, in einem Stück und ohne reißen oder brechen.
Ich wiederhole diesen Versuch nun mit Ameisensäure 60% und Essigsäure 60%.
Pro Bad habe ich drei Testteile drin wo ich dann Tag für Tag schauen kann was passiert.
Außerdem habe ich mal blanke Rotorteile, die ich vorher abgewogen habe rein getan um zu sehen, ob der Rotor selbst angegriffen wird.
Wenn ich Glück habe, finde ich die Lösung, im wahrstem Sinne! ;-)
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Samstag 31. August 2019, 17:04
von Landfranke
Ein Hoch auf die Wissenschaft! Die heißt so, weil man mit der Methode gesichertes Wissen schafft.
Danke für die Arbeit, die du in das Projekt investierst und dafür das du das Ergebnis mit uns teilst.
Es grüßt
Der Landfranke
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Montag 2. September 2019, 21:07
von Die Sirenenwerkstatt
Hallo Leute.
@Landfranke: Vielen Dank dir!👍
@all: Ich habe heute einen weiteren Test beenden und einen weiteren starten können.
Die Testteile lagen dieses mal ziemlich genau 4 Tage in den Säuren. Hier die einzelnen Ergebisse:
Essigsäure 60% mit 4 Tage Wirkzeit:
Das Polyamid klebt nach wie vor wie Arsch auf Eimer, nichts zu machen. Interessant scheint allerdings, dass das reine Alu Testteil an Gewicht zugelegt hat, fast so als ob sich Feuchtigkeit im Alu eingelagert hat.
Ameisensäure 60% mit 4 Tage Einwirkzeit:
Hier sieht das Bild ganz anders aus. Ich habe nachgelesen, das Ameisensäure dafür bekannt ist, gut Lacke lösen zu können und anscheinend tut sie genau das. Innerhalb der vier Tage scheint die Ameisensäure unter das Polyamid zu kriechen und den Haftgrund anzulösen. Das Polyamid selber wird anscheinend etwas weicher und weniger brüchig, sodass ich es wie Duct Tape abziehen konnte.
Interessant ist da aber auch das reine Alu Teil.
Gewicht vor dem Versuch:
Gewicht nach dem Versuch:
Wie man unschwer erkennen kann, hat sich das Gewicht um genau 10mg (Milligramm) verringert was eine Gewichtsreduktion von 0,5% entspricht. Also muss man festhalten das Ameisensäure DEFINITIV auch das Aluminium leicht anätzt und es abträgt. Allerdings ist der Abtrag m. E. nach sehr gering und vertretbar. Wirkliche Anzeichen einer Ätzung hat das Testteil eigentlich nicht außer das die Sägekanten etwas matter sind.
Im Anschluss habe ich nochmal einen neuen Test gestartet. Die Ameisensäure ist nun auf 30% gestreckt und die Testteile die aus der Essigsäure kamen wurden nun darin drapiert.
Ich teste dies nochmals um rauszufinden, wie weit ich mit dem Verhältnis runter gehen kann und wie lange dann der Prozess dauert.
Ich habe im ersten Beitrag mal einen fetten Warnhinweis hinzugefügt, falls es jemals jemand nachmachen möchte.
Was meint ihr?
Grüße
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Sonntag 15. September 2019, 10:40
von Die Sirenenwerkstatt
Tag Zusammen.
Ich weiß, dass man auf sich selbst nicht antworten sollte aber da das Interesse an einer Diskussion eher gering ist, muss ich das wohl 😕
Am Donnerstag hab ich den Test mit der Ameisensäure 30% nach 10 Tagen beendet. Nach 4-6 Tagen war kaum ein ablösen zu bemerken. Ich hatte allerdings den Versuch bis Donnerstag liegen gelassen und als ich ihn dann auflöste, löste sich das Polyamid der Testteile genau wie mit der 60% Mischung nach 4 Tagen.
Hier das Gewicht des Ätz-test Teil:
Und hier die Teile, wo die Beschichtung von gelöst wurde:
Man sieht ganz klar die braunen Flecken. Das ist der Haftgrund der gelöst wird.
Wie man sehen kann beträgt das Gewicht des Ätz-test Teil nur noch 19,29g was eine Minderung um 0,63g zum originalem Gewicht bedeutet. Was ich nun als letzten Test noch machen muss ist einen Test zu starten, in dem ich einen "Ätz Koeffizienten" raus finde. Also wie schnell kann ich die Beschichtung lösen ohne möglichst viel vom Rotor selbst weg zu ätzen.
Um mal eine kleine Diskussion zu starten:
Liebe Leute, wenn ihr ein E57 Laufrad hättet mit einer defekten Beschichtung und ihr hättet die Möglichkeit die Beschichtung auf diese Art und Weise zu lösen, würdet ihr das tun?
Grüße
Rene
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Sonntag 15. September 2019, 19:27
von Landfranke
Der Schwund beträgt also daumengepeilt fast 3,3% und das ist eine Größenordnung die ich persönlich nicht so einfach übergehen würde. Auch wäre ich vorsichtig wegen mögliche Mikrorisse im Gußmaterial, an welchen die Ätzung bei dieser Intensität möglicherweise die Struktur beeinträchtigen könnte. Da sind ja doch ein paar Kilo in schneller Rotation und ich stelle mir das sehr unangenehm vor, wenn der Rotor bei voller Drehzahl plötzlich Ballast abwirft. Weniger wegen der Unwucht (da geht nur Technik kaputt) sondern wegen dem Splitterflug und möglichen "Weichzielen" im Streukreis...
Nein, bei den Zahlen hätte ich definitv intensives Magengrimmen.
Da waren die 0,5% bei 4 Tagen in 60%iger deutlich materialfreundlicher und mit einem halben Prozent könnte ich mich eigentlich ganz gut abfinden.
MfG
Der Landfranke
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Montag 16. September 2019, 18:14
von Die Sirenenwerkstatt
Hallo Landfranke.
Also für mich ist ganz klar am wichtigsten, dass ich das Polyamid am bestem runter bekomme ohne viel vom Alu selbst runter zu nehmen. Ich selbst möchte ungern einen Rotor entschichten, der später sich in seine Bestandteile auflöst, das wäre der reinste Horror.
Grüße
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Mittwoch 25. März 2020, 21:16
von sirenenfan97
Erstmal Danke für deine tolle Berichterstattung!
Ich hab ja auch das Problem das fast alle meine Laufräder schlechte stellen haben.
Mir ist gerade eingefallen, ob es nicht Metallfirmen gibt in der Umbgebung, die mit spezieller Säure arbeiten um Teile zu säubern.
Und dann auch vielleicht anbieten, das Polyamid gleich neu aufzutragen.
Ich steh auch vor diesen unlösbaren Rätsel diese Laufräder wieder fit zu bekommen.
Re: Polyamid entschichten von E57 Laufrädern
Verfasst: Montag 30. März 2020, 22:45
von hoffendlichS3
Das Problem ist, das alles was das Polyami sicher entfernen würde, aich das Alu angreift bzw verspröden lässt.
Ich würde den Rotor einfach Pulverbeschichten, habe ich bei meinem auch,
das ist auch nur Kunststoffpulver was zu einer Schicht verschmilzt.